Anfang des
Jahres ist Thomas Jordan, dem Chef der Schweizerischen Nationalbank (SNB) „der Kragen
geplatzt“. Er sagte dem wichtigsten Organ des Landes, der Neuen Zürcher
Zeitung, er sei sich bewusst, dass die Maßnahme die Schweizer Wirtschaft vor
Probleme stelle und die Finanzmärkte einige Zeit bräuchten, um sich von dem
Schock zu erholen. Der Schritt sei aber angesichts des
anhaltend fallenden Euro nötig gewesen, um langfristig die Kontrolle über die
Geldpolitik zu behalten. Die internationale Entwicklung sei
auseinandergedriftet, so Jordan. Immer mehr Geld aufzuwenden, um den
Mindestkurs von 1,20 Franken zu einem Euro zu halten, wäre nicht nachhaltig
gewesen und hätte die Glaubwürdigkeit der Notenbank aufs Spiel gesetzt. Punkt.
Die Schweizer stehen für Entscheidungen – und sie stehen für Entscheidungen
ein.
Wahrnehmungen
Prompt sah die
deutsche Presse für die Schweiz schon düstere Zeiten kommen. Das
Wirtschaftswachstum würde zum Erliegen kommen (Arbeitslosenquote 2014: 3,2
Prozent!), der Tourismus einbrechen. Doch müssen wir uns wirklich Sorgen
machen? St. Moritz, Davos, Klosters, Gstaad zählen zu den teuersten und luxuriösesten
Winterskiorten der Welt. Erst dann kommt Kitzbühel in Österreich. Glaubt
irgendwer ernsthaft, dass sich die Reichen der Welt durch ein schwaches
Euro/Franken-Verhältnis abhalten lassen werden, hier ihren Urlaub zu
verbringen? Wohl kaum. Viele besitzen zudem nicht unerhebliche Vermögenswerte
vor Ort. Alleine in 2014 flossen beispielsweise 2,8 Milliarden Franken in
börsennotierte Immobilienanlagen oder Anlagestiftungen zitiert die
Wirtschaftswoche Beat Seger, Partner Immobilien bei KPMG Schweiz. Sie hebt
hervor, dass der SXI Real Estate Funds Index 2014 um 15 Prozent und
seit Anfang 2015 nochmals um rund neun Prozent gestiegen ist. Er repräsentiert
die größten Schweizer Immobilienwerte.
Hohe
Lebensqualität
Was aber ist der
Grund für das hohe Ansehen der Schweiz? Zu vermuten ist die Mischung aus
wirtschaftlicher Sicherheit und hoher Lebensqualität. Mercer – mit rund 20.000
Mitarbeitern in mehr als 40 Ländern zu den führenden globalen Anbietern von
Dienstleistungen in den Bereichen Talent, Health, Retirement und Investments – befragt
hierzu regelmäßig seine entsandten Mitarbeiter. Ergebnis: Zürich ist trotz der
hohen Lebenshaltungskosten neben Wien die Stadt mit der weltweit zweithöchsten
Lebensqualität. Genf und Bern rangieren dabei auf den Plätzen acht und
dreizehn. Auch der britische Finanzkonzern HSBC befragt seine Manager. Die
Schweiz wurde unter den einbezogenen 34 Ländern vor Singapur und China als
Spitzenreiter in Sachen Lebensqualität ausgezeichnet. Und die wirtschaftliche
Zukunft? Swatch-Chef Nicolas Hayek sagte dem Schweizer Fernsehen gegenüber wörtlich:
„Solange der Dollar und die anderen Währungen
stärker werden und der Euro schwächelt, ist das für uns überhaupt kein
Problem.“ Swatch produziert zu 80 Prozent für das Ausland. Die Stärke des
Franken gegenüber dem Dollar zahlt sich hier also aus, wenngleich die
Verteuerung des Exports nach Europa nicht gänzlich aufgefangen werden kann.
Hohe
Immobilienpreise
In
Zürich sind Dreizimmerwohnungen mit beispielsweise 90 Quadratmetern in
vernünftiger Lage unter 2000 Franken Kaltmiete pro Monat kaum zu haben. In den letzten Jahren ist Wohneigentum in der Schweiz generell
deutlich teurer geworden. In Zürich und Umgebung kosten Wohnliegenschaften
heute über 30 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. In der Stadt selbst zahlt
man für eine Eigentumswohnung locker das Doppelte des Preises von 2004. Alle in
der Schweiz aktiven Banken prognostizieren dabei für 2015 ein anhaltendes
Anlegerinteresse an Immobilien. Ein wichtiger Grund ist die Renditedifferenz zu
alternativen Anlageformen nach der Zinssenkung der Nationalbank. Die Nachfrage
ist auf Rekordniveau schreibt die Credit Suisse in ihrer Studie
„Immobilienmarkt 2015“.
Einwanderungsland
Schweiz
Derzeit
leben in der Schweiz 8,1 Millionen Bürger. Historisch betrachtet hat sich die
Bevölkerungszahl seit Beginn des 20. Jahrhunderts verdoppelt. Der Zuwachs
beträgt rund ein Prozent pro Jahr. Die Schweiz erhöht ihren Bevölkerungsanteil
jedes Jahr um rund ein Prozent. Dieser Entwicklung kommt der Immobilienmarkt
nur mühsam nach, denn Grund und Boden ist in der Schweiz teuer und wertvoll.
Gerade einmal 242.000 neue Eigenheime entstanden in den letzten zehn Jahren
nach Erhebungen des statistischen Bundesamtes in der Schweiz. Das Plus an neuen
Mietwohnungen fiel mit 140.000 noch bescheidener aus. Die Struktur der Schweiz
ist dabei ähnlich wie die in Deutschland. Nahezu die Hälfte der Bürger lebt zur
Miete.
Immobilien
als Kapitalanlage
Der
Bau von neuen Wohnungen wird in der Schweiz begünstigt. Projektentwickler
erhalten, eine vernünftige Eigenkapitalbasis vorausgesetzt, attraktive
Zwischenfinanzierungen. Die finanzierende Bank springt in so einem Fall als
Treuhänder ein und sorgt dafür, dass das Projekt auch umgesetzt wird. In der
Schweiz gibt es keine Bauruinen. Auch Investoren können auf günstige
Finanzierungen setzen. Die typische Mietrendite eines Neubaus von vier bis fünf
Prozent, wird so schnell zweistellig. Der Anlagedruck der Schweizer Investoren ist
dabei groß. Es fehlen eben Alternativen. Man muss aber zunächst an die
Projekte kommen und das ist der Engpass. Es zeigt sich, dass der
enge Markt oft an seine Grenzen stößt. Diejenigen aber, die „drinnen“ sind,
verdienen gut.
Dr.
Urs Rösch
Beitrag aus der Finanzwelt
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